Knütgen — Knötgen — Kleutgen


Die Vorfahren der Töpferfamilie Kleudgen sind die Knütgen oder Knötgen, wie sie sich damals genannt bzw. geschrieben haben. Der Töpfer Anno Knütgen ist Ahnherr dieser im Westerwald später weit verbreiteten Familie. Er stammt aus der Aulgasse in Siegburg, in der er sein Eulerhandwerk betrieben hat. Um 1580 verläßt er seine Heimatstadt und wandert schließlich in den unteren Westerwald ein, wo er sich um 1583 in Höhr niederläßt. Die Verhältnisse sind hier ähnlich wie in seiner Heimat: Es gibt das gleiche Handwerk wie in Siegburg, und die Religion ist in Höhr katholisch geblieben. Seine Söhne Bertram und Rütger folgen ihm nach, und gegen 1600 trifft auch sein jüngster Sohn Hermann in Höhr ein.

Eine neue Zunftordnung muß erlassen werden, denn die Verhältnisse der einheimischen Töpfer haben sich durch die Neuankömmlinge, die „Sieberter", die Euler aus Siegburg, verändert. Sie fertigen nicht die ziemlich schmucklose Gebrauchskeramik der Einheimischen, sondern schmuckvoll verziertes „Krausenwerk". Da der Streit trotz der neuen Ordnung nicht enden will, läßt sich Bertram Knütgen 1614 in Grenzau nieder, das zur Herrschaft der Isenburger gehört.

Auch die Enkel bzw. Urenkel sind des Streites müde und verlassen die Wahlheimat ihrer Väter. 1642 werden im Vallendarer Kirchenbuch die „Figuli" (Töpfer) Johann Knotgen und Peter Knotg der Ältere genannt, zu denen sich wenige Jahre später noch Hans Dietrich Knotgen und der jüngere Peter Knotgen gesellen. 1664 werden vier Neuankömmlinge bzw. neu in der Liste der Ofengeld zahlenden Euler genannt, und einer davon ist Hans Knotgen, „noch junge Euller, so diesjahr ankommen, im Jahr darauf weitere, zu denen Hans Hermann Klotgen, wie sein Name geschrieben wird, gehört.

Jeder Euler hat vier Reichstaler Ofengeld zu zahlen, und um dies ordnungsgemäß tun zu können, haben die Meister alljährlich neue Listen anzulegen. In dem Ver-
zeichnis der „Eullner" von 1672 in der „Grafschaft Vallendar ist unter der Gesamtzahl von 46 Namen der der Knotgen, Knödgen und Kleudgen siebenmal vertreten. Johannes Knötgen und Diederich Kleudgen haben als „Handwerksmeister" das Verzeichnis erstellt. Letzterer unterschreibt mit Hans Diederich Kleudgen.

1720 wird Servatius Kleutgen in Hillscheid geboren. Der 1725 im Hillscheider Lagerbuch aufgeführte Grundstücksbesitzer Servatius Kleutgen könnte sein Vater gewesen sein. In der Liste der trierischen Untertanen von 1767 ist eine „Servas Kleudgens Wittib" aufgeführt, wohl die Mutter des Erstgenannten. Schon in der Ofengeldliste von 1750 wird der Kannenbäcker „Serfatziuß Kläudgen" genannt. Der Zunftmeister Weymer Tewalt hat ihn „flichmässig annotirt", und zwar so, wie er den Namen selbst gesprochen hat.

Johann Theodor Kleudgen

In der gleichen Liste ist auch Johann Theodor Kleudgen als „Johandoruß Kläudg:" aufgeführt Seinem Namen soll in den vorhandenen Zeugnissen nachgegangen werden. Die Grabplatte des Baumeisters Johann Theodor Kleudgen, dem Hillscheid die Erweiterung seiner Kirche im Jahre 1756 verdankt, der heutigen Alten Kirche, hat sich dort erhalten. Ihr Text lautet:
Anno 1773 den 2. März ist der wohledle Herr Johann Theodor Kleudgen zeitlebens gewesener Baumeister dieses Gotteshauses im 69. Jahr seines Alters dem Herrn entschlafen zu dessen Seelentrost um ein beliebiges Gebett zu sprechen Christ mildigst gebetten wird.
Kleudgen dürfte also etwa 1704 geboren sein. In den Urkunden ist bisher wenig zu ermitteln. Bei der Taufe eines gleichnamigen Johann Theodor Kleudgen wirkt 1733 Johann Theodor Kleutgen „von Hoern" als Taufpate mit. Falls er der in Hillscheid später verstorbene Kleudgen ist, wäre er damals als 29jähriger in Hillscheid gewesen, wo Geburt und Taufe stattgefunden haben.

In der Liste der trierischen Untertanen vom 11.11.1767 ist ein Johann Theodor Kleudgen aufgeführt. Leider fehlt wie bei allen übrigen Hillscheider Einwohnern eine Berufsangabe. Es werden jeweils nur die Familienoberhäupter der 56 Familien genannt.

Der gleiche Name wird aber schon viel früher, nämlich 1746, im Zusammenhang mit der Waldteilung genannt. Kleudgen ist einer der beiden Hillscheider "Deputierten", die laut dem amtlichen Teilungsprotokoll ab Mitte September bis zum 23. des Monats an den täglichen Waldbegängen zur Festlegung der Grenze zwischen dem Hillscheider und dem Vallendarer Kirchspielswald teilnehmen. Seine Abordnung und Teilnahme als Deputierter der Gemeinde weisen auf seine hohe soziale Stellung innerhalb der damals 71 Familien hin. Entsprechend dieser Aufgabe und des Alters von 42 Jahren zum Zeitpunkt des Jahres 1746 kann es sich nur um den aus Höhr stammenden, 1733 als Taufpaten amtierenden und 1756 als Baumeister tätigen Johann Theodor
Kleudgen handeln.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er 1750 als Kannenbäcker gearbeitet und ist deshalb in die schon genannte Ofengeldliste geraten. Sein Vorname lautet dort Johann Dorus, „Johandoruß", und diese Namensform entspricht der auch in Hillscheid üblich gewesenen Gepflogenheit, die Nachsilbe -us an den Vornamen anzuhängen: Hermannus, Servatius, Wilhelmus. In diesem Falle hätte der Name Theodorus gelautet und abgekürzt eben Dorus, oder wie man hier noch immer sagt: Dores.

Im gleichen Jahr 1750 wird in einem Amtsprotokoll über einen Holzdiebstahl und einen daraus entstandenen Streit im Gemeindewald zwischen dem Pfeifenbäcker Servatius Kalb und Hans Dietrich Kleudgen berichtet. Der gleiche Name ist 1732 im Zusammenhang mit der Tonausbeute im Weitersburger und Hillscheider Wald genannt worden. Sein Beruf ist Kannenbäcker. Es ist denkbar, daß der beamtete Protokollant den mundartlichen Namen Hans Dores in „Hans Dietrich" verhochdeutscht hat. Falls beide Kleudgen identisch sind, wäre der Kannenbäcker aus Höhr damals 28 alt gewesen und hätte gemäß der Zunftordnung seine Ausbildung beendet und die Meisterprüfung abgelegt.

Ob der zuvor für 1672 benannte Hans Dietrich oder Dieterich Kleudgen aus Hillscheid stammt, ist nicht klar. Im Lagerbuch von 1723 wird kein Hillscheider Grundbesitzer namens Kleudgen geführt. Erst 1741 wird Servatius Kleudgen als einziger seines Namens unter den Kannenbäckern genannt. Es dürfte sich kaum um den 1720 geborenen Servatius Kleudgen gehandelt haben, sondern möglicherweise seinen gleichnamigen Vater, der mit Johann Theodor Kleudgen 1750 Hillscheider Kannenbäcker ist. Ist er der gleiche, der 1762 aufgeführtwird und dessen Witwe 1767 als „Servaz Kleudgens Wittib" als trierischer Untertan in Hillscheid lebt?

1769 gibt es schon fünf Kannenbäcker Kleudgen. Vier von ihnen sind Junggesellen. Eines ist bei allen Unsicherheiten sicher: Die Alte Kirche besteht als schönstes Baudenkmal Hillscheids, ein Zeugnis des 18. Jahrhunderts.

Als Jakob Girtz (Gerz) 1772 als Zunftmeister und Delegierter Zunftvertreter zur Ehrenbreitsteiner Verwaltung vorgeladen wird, begleitet ihn Jakob Knödgen. Es bleibt unklar, ob er aus Hillscheid oder Ransbach kommt. Auf dem Zunfttag von 1781, an dem auch Peter und Johannes Kleudgen („Alter") teilnehmen, wird letzterer vom Zunftmeister Johannes Theodor Linck (Link) dafür bestraft, daß er dreimal soviel Ware gebrannt hat, als er vertragsgemäß backen durfte. Er muß 4 Reichstaler und 24 Albus zahlen. Peter Kleudgen kommt mit 2 Talern und 27 Albus wesentlich billiger davon.

Wie schlecht es manchen Kannen und Krugbäckern geht, wird aus folgendem deutlich: Am 5. April 1788 heißt es von dem 48 jährigen Peter Kleudgen, daß er sich von Bierbrauerei und Schnapsbrennerei nähre. Sechs Jahre vorher ist er noch wegen zuviel gebrannter Krüge, die er wohl andernorts verkaufen wollte, bestraft worden, und 1786 hat er noch Holz zum Brennen gekauft. Etwas besser geht es dem 54 Jahre alten Johann Kleudgen. Er nähre sich mit der Kannenbäckerei, und 1786 sei ihm Holz zugeteilt worden, heißt es von ihm. Da der Holzhandel derzeit untersagt ist, wird den Kannenbäckern das Brennholz anteilmäßig zugeteilt. Die wieder zunehmend kriegerisch werdenden Zeiten erklären, daß 70 Kannenbäcker am 7. Januar 1789 eine Bittschrift an das Amt in Vallendar richten, worin sie um die Rückstellung der Kannenbäckersöhne von der Rekrutierung bitten. Auch der Zunftmeister Wilhelm Kleudgen ist unter ihnen. Ihrer Bitte ist leider nicht entsprochen worden.

1794 arbeiten vier Kleudgens in Hillscheid als Kruglieferanten. Der Krieg mit den herangerückten französischen Truppen steht unmittelbar bevor, so daß der kurfürstliche Hof seine Residenz Koblenz fluchtartig verläßt.

1797 haben die Gebrüder Kleudgen, Jakob und Peter Kleudgen, Geld genug, um es der Gemeinde zu verleihen. Jakob Kleudgen, 1794 als Junggeselle erstmals genannt, wird 1802 in der Nahrungsanschlagliste aufgeführt und brennt auch 1803 Krüge. Auch Johann Kleudgen wird im gleichen Jahre 1802 erwähnt, ebenso wie Johann Joseph Kleudgen. Von ihm wird weiter unten noch die
Rede sein.

In den Bemerkungen in der Schirmguldensliste heißt es von dem ehemaligen Zunftmeister des Jahres 1789, Wilhelm Kleudgen, er sei „60 (?) Jahr alt, ist von den Franzosen lahmgeschossen worden, kann nicht mehr arbeiten und begehrt, von dieser Last (nämlich der Steuer, d. Verf.) befreit zu werden. Am 27. Januar 1799 hat sich die Festung nach mehrjährigem Widerstand ergeben. Wie Kleudgen in das Scharmützel geraten ist und sich die o.g. Invalidität zugezogen hat, bleibt unklar. Bis 1809 wird er in den Eulerlisten geführt, ab 1812 seine Witwe. Während seiner Invalidität arbeiten als Gebrüder Kleudgen Jakob und Peter, die beide je einen Ofen betreiben.

Die Zahl der das Handwerk treibenden Euler ist zurückgegangen, weshalb für 1808/09 nur noch Wilhelm Kleudgen, der jetzt fast siebzig Jahre alt ist, die Familie vertritt. Denn es „sind viele Kannenbäcker verzogen", und das „Gewerbe ist gesunken und wird von vielen nicht mehr betrieben". Trotzdem führt seine Witwe die Firma noch bis 1827 unter seinem Namen weiter.

Der Kannenbäcker und Bürgermeister Johann Joseph Kleudgen gehört zu den ersten, die in der Flur Fallershausen mit der Tongrube Thon belehnt werden. Bis 1827 arbeitet er in seinem Handwerk, danach seine Witwe.

In den Jahren nach der staatlichen Neuordnung ab 1815 gehen die Geschäfte wieder gut. 1828 brennen 56 Krugbäcker. Johann Kleudgen l. kann 1836 an einen
Ransbacher Händler 1800 Krüge verkaufen. Die Kleudgens sind am Geschäft mit Ton und Krügen beteiligt, und für viele Jahre bestimmt Johann Georg Kleudgen die Krug- und Kannenbäckerei. 1870 ist er Mitglied der kurz zuvor gegründeten Krugbäckergewerkschaft und besitzt die Kuxen 64-69 der Tongrube Krebshohl.

1834 bis 1855 arbeitet auch Jakob Kleudgen, der 1847 Bürgermeister ist, 1854 die Hüttenmühle kauft und den Beruf wechselt. Er stirbt 1886 im Alter von 81 Jahren. Ab da gibt es nur noch einen Euler Kleudgen.

Die Firma Johann Georg Kleudgen, 1845 erwähnt, wird ab 1901 nach seiner Witwe benannt. Erbe Johann Jakob Kleudgen betreibt die Firma bis 1926/28. Damit ist die Töpfergeschichte der Kleudgens in Hillscheid beendet, deren Werkstatt und Krugofen in der Hauptstraße gelegen war.

 

Quelle: Rudolf Heller in "1000 Jahre Hillscheid"
In diesem Werk gibts noch viel Interessantes über die Familien und den Beruf des Eulers = Kannenbäckers zu lesen.