Jakobsmuschel

 

Zum Ende der "alten Welt"
Kap Finisterre

 

Donnerstag, 8. Juni 2006

von Santiago nach Cee
78 km, 930 hm


Ohje, wie beginnt dieser Tag.
In rasender Schußfahrt geht’s 10 km bergab. Das macht heute überhaupt keinen Spaß, denn auf dem Rückweg vom Cap müssen wir alle Abfahrten wieder hoch.

Vom Monte Gozo herab sah es aus, als ob Santiago in einem Talkessel liegt. Bei unserer Stadtrundfahrt mit dem Tren Touristica bekamen wir schon einen Geschmack auf die hügelige Lage. Aber heute soweit hinab, wo geht das noch hin?

Und dann erst die Sicht in die Ferne. Dunkler Dunst, keine Sicht. Kommen wir da in eine Regenfront?

Die Straße führt weiter hinauf und hinab. Kaum, daß der Bergrücken erreicht ist, kommt das nächste Bachtal.

Es ist warm und dazu noch schwül, da wird viel getrunken, um dem Schweißverlust auszugleichen.

Brandomil, mein geplanter Etappenort, ist nur eine Ansammlung von einigen Häusern, außer einer Bar keine touristischen Einrichtungen. Es ist noch früh und wir haben gegenüber der Karte Kilometer eingespart. Also frohen Mutes auf den nächsten Berg und wieder runter. Bainas ist ein größerer Ort, aber kein Hotel.

Wir verpflegen uns im Supermarkt und essen auf einer Parkbank.

Frisch gestärkt auf die Räder und durch viele kleine Weiler durch die wellige Landschaft. Und hier dann ein Gegenwind, daß man auch bergab noch treten muß.


Die Landschaft ist grün, Eukalyptuswälder werden mehr und mehr, während Nadelwälder abnehmen. Rindviehhaltung ist hier der Hauptlandwirtschaftszweig.

Einfach keine Unterkunftsmöglichkeit, außer einem Refugio und da will meine geschätzte Mitpilgerin partut nicht rein.

Es geht diesmal steil bergauf auf den Paß, da ist zu dieser Tageszeit schieben angesagt. Unzählige Windräder drehen sich bei offensichtlich optimalen Bedingungen. Oder machen die uns den Gegenwind?

Noch einige Hügel, dann gehts endlich bergab. Auch hier wie heute morgen die erschreckende Erkenntnis, hier müssen wir in 3 Tagen wieder hoch. Da muß ich noch Alternativen prüfen, denn die Rückfahrt ist so an einem Tag nicht zu schaffen, da brauchen wir ein Etappenhotel.

In Cee gleich ein nettes Hotel gefunden und ausgeruht. Und jetzt gehen wir mal an den Atlantikstrand.

Feiner Sand, gepflegte Anlagen. In den Innenstraßen aber stehen viele kleine Häuser leer, obwohl die Bautätigkeit rege ist.

Freitag, 9. Juni 2006

von Cee nach Finisterre
25 km, 500 hm


Heute ist ja nur eine kurze Strecke auf dem Plan, da wir ja gestern mehr fahren mußten. Daher geht’s gemütlich etwas später ab.

Am Taxistand erkundige ich mich nach der Möglichkeit, mit einem Taxi die Berge zurück zu erklimmen. Das ist nicht so einfach, die wollten nicht.

Also los zum Kap Finisterre, (Cabo Fisterre auf galizisch) dem Ende der Welt.

Der Himmel in Fahrtrichtung wie gestern, dunkelgrau, wie am Ende der Welt. Die Straße kürzt die Buchten bzw. Halbinseln immer über den Grat ab, d.h. wir fahren wieder auf und ab. Dafür bekommen wir herrliche Aussichten auf die Küste. Schade nur, daß es so diesig ist.

Im Ort radeln wir gleich durch, um mit vollem Gepäck das Ende der Welt zu erreichen. Den Schweiß da hinauf bei der warmen und schwülen Witterung opfern wir gerne.



Eine ganze Reihe Radler und Backpacker (neudeutsch für Rucksackträger) sind bis hierher vorgestoßen. Aber auch viele Jakobspilger kommen von Santiago aus hierher mit dem Bus.

Am Kap werden traditionsgemäß die Klamotten, Schweißbänder und Strümpfe verbrannt. Bei dem Wind nicht einfach, ein Feuer anzumachen, obwohl die Feuerstelle mit Beton eingefaßt ist.

Fotografiert wird alles, besonders die Schuhe des letzten Pilgers und der 0-km-Stein.


Ein kräftigendes Mittagsmal, einige Cerveca und wir rollen zurück in den Hafen, nicht ohne einigen Buspilgern aus dem Raum Stuttgart die Nase lang gemacht zu haben.

Ich rolle die Albergue an, um mir auch von hier einen Stempel zu holen. Am Kap gabs leider keinen. Zu unserer Überraschung gibts auch noch ein Diplom für uns, die wir Kap Finisterra mit dem Rad erreicht haben und einen Stempel der Albergue.

Busfahrer seit SdC bekommen nur einen Gemeindestempel.

In einem Hotel bekommen wir ein Zimmer mit Meerblick.

Wir laufen durch den kleinen Fischerhafen und den kleinen Sandstrand, bevor wir uns auf einer Cafe-Terasse niederlassen. Es tauchen immer mehr bekannte Gesichter auf.

Das Eröffnungsspiel der WM schauen wir uns im Zimmer bei miserabler Bildqualität an, bevor wir lecker zu abend speisen und dann eine Flasche Roten beim nächsten Spiel trinken.

Finisterre

Samstag, 10. Juni 2006

Ausspannen in Finisterre

Nach dem Frühstück wandern wir zur Playa de Longastero, laufen diesen schönen und langen Sandstrand entlang und sammeln Muscheln. Von Jakobsmuscheln finden wir immer die platte Seite. Haben die Mitpilger die anderen schon aufgelesen?

Beim Bierchen an der Strandbar bewölkt sich der Himmel immer mehr und es tröpfelt. Wir schaffens noch bis in den Hafen und ins Lokal, als es mächtig regnet.

Ich beobachte die Abfahrt der Linienbusse und den Umgang mit Fahrrädern als Gepäck. Es wird wieder trocken, bleibt aber bewölkt und grau.

Ein Glück, daß wir gestern noch bei schönem Wetter direkt raus ans Kap waren.

Wir entscheiden uns, mit dem Bus zurück nach Santiago zu fahren. Mit dem Rad sind das zwei harte Tage mit ca 1700 Höhenmetern. Dazu kommt, daß es auf halber Strecke keine Unterkunft gibt und wir den Großteil in einem Rutsch durch müssten.

Unser Ziel haben wir ja pannenfrei und gesund erreicht, und noch schneller als ursprünglich geplant.

Auch das Wetter war uns wirklich hold, nur wenige Kilometer sind wir im Regen gerollt.

Das einzige Mal, wo wir naß wurden, war die abendliche Stadtbesichtigung in Nantes.

Sonntag, 11. Juni 2006

Sonntagmorgen, es regnet leicht. Der Bus nach Santiago wird proppevoll, die haben vielleicht Arbeit, zwei Räder unterzubringen. Da müssen wir morgen schnell und geschickt sein.

Probehalber mache ich unsere Drahtesel schon mal flugtauglich, klappt prima. Das lasse ich gleich morgen für den Bus.

Das Wetter bessert sich und wir wollen einen Spaziergang wagen. Wir entscheiden uns, den Weg zum Kap zu riskieren. In der Kirche beginnt gerade der Gottesdienst, so schlüpfen wir schnell rein, die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Es singt ein Chor aus Compostela und die Kommunionkinder lesen z.B. die Fürbitten. Erstmals sehe ich hier Meßdiener am Altar.

Derweil klart es auf und wir wandern nochmals zum Kap raus. Den Rückweg wollen wir über einen Wanderweg über den Berggrat machen. Auf halbem Weg nach oben kommen Wolken und wir sind mittendrin. Da kehren wir um, denn es ist nichts mehr zu sehen.

Abends dann die Erkenntnis: Hanne hat sich einen gewaltigen Sonnenbrand im Genick eingefangen. Wegen des Regens hatte sie sich morgens nicht mit Sonnenschutz eingecremt. Ich habe vom Bergablaufen eine Blase auf dem Zeh.

Zum Abschluß unseres Atlantikaufenthaltes gibts abends leckere Fischplatten.

Und noch ein Jubiläum gilt es zu feiern: die 100. Flasche wird für uns entkorkt.

Montag, 12. Juni 2006,

Rückfahrt von Finisterre nach Santiago

Direkt nach dem Frühstück rollen wir die Räder zur Bushaltestelle. Die Busse nehmen nur jeweils 2-3 Fahrräder mit und wir wollen sichergehen und die ersten sein.

Langweilig, so zwei Stunden bei herrlichem Sonnenschein (keine Wolke ums Kap) da rumzusitzen und den komischerweise recht starken Verkehr am Ende der Welt zu beobachten. Meine Mitpilgerin vertreibt sich die Zeit mit Sudoku.

Nach und nach treffen die Fußpilger ein.
Der Bus kommt, die Räder rein (wir waren die einzigen) und ab gehts. Der Kofferraum ist mit Rucksäcken voll. Da ist ein Zwischenboden drin, daher liegt nicht alles auf unseren Rädern.

Nach unzähligen Haltepunkten (es ist ja ein Linienbus), rund 100 km und 1.787 Höhenmetern laufen wir in Santiago in den Busbahnhof ein. Wie der Blitz reißen sich die Pilger (andere Fahrgäste waren meistens auf der Strecke aus- und eingestiegen) ihre Rucksäcke raus und traben ab. Ich montiere mal in Ruhe unsere Lenker, die hatte ich ja praktischerweise quer gedreht, und dann rollen wir in die Stadt.

Eine leckere Tortilla und auf zum Hotel, wo wir auch einen Tag früher (es waren ja zwei Radeltage geplant) einziehen können.

Der Himmel bewölkt sich und es kühlt ab.

Die Abendstunden verbringen wir mit den ersten Andenkeneinkäufen. Einige alte Klamotten und Ausrüstung wollen wir hier lassen, damit genug Platz für die vielen Mitbringsel da ist.

Wir verleben noch einige Tage in Santiago, bevor unser Rückflug auf den Hahn geht.



Dienstag, 13. Juni 2006,
bis Freitag, 16.6.2006

Santiago de Compostela

Einzelheiten zu der Stadt entnehmen Sie bitte der einschlägigen Literatur.


Der Reiseführer schreibt:

"Das Bild der Stadt ist ohne Zweifel geprägt durch Geistliche, Pilger, Studenten und Touristen, wobei der Regen als konstanter Begleiter ebenfalls typisches Element ist. Selbst der beinahe tägliche Regen sei hier Kunst, behauptet ein altes Sprichwort. Denn der Regen poliert die Baudenkmäler und verleiht der Stadt eine besondere Atmosphäre".

Und so machten wir morgens den empfohlenen Spaziergang im Regen durch die stimmungsvollen Kollonaden und setzten uns wie vorgeschlagen, in eines der vielen heimeligen Cafes. Auch für die Einkaufsbummel und Suche nach Mitbringseln sind diese Regenstunden bestens geeignet. Man meint schon, das ist Absicht, um den Umsatz anzuregen.

Nach Besuch der Pilgermesse gings ins Kathedral-Museum.

Anschließend machten wir eine Führung über die Dächer der Kathedrale. Super. Das Dach ist mit großen ca 10 cm dicken Granitplatten gebaut, da kann man einfach drauf rumlaufen und durch die Fenster ins Innere schauen.

Das viele Unkraut auf Dach und Gesims sei lästig, aber nicht gefährlich und mache dem Granit nichts aus, meint unser Führer.


Am Cruz dos Farrapos (Kreuz der Lumpen) auf dem Dach habe ich, wie früher schon die Pilger, meinen von der Wallfahrt verschlissenen Blouson symbolisch entsorgt. Der einzige Unterschied zu früher ist nur, daß ich von der Kirche keine neue Ausstattung bekomme.


Den Tag beenden wir pilgergemäß in einer Vinoytapas-Bar. Hier kann man unbedarft durch das riesige Angebot an Meeresfrüchten schwelgen. Was für Getier man nicht alles zum Essen bekommt.

Mit dem Besuch von Museen und Baudenkmälern, Cafebars und Vinoteheken verbrachten wir den Mittwoch.

In den Pilgermessen wurde bisher immer das Butafumeiro geschwenkt. Es ist schon erschreckend, welches Benehmen viele Pilger wie auch Zivilisten während des Gottesdienstes an den Tag legen. Da vergeht einem die Andacht.

Am Donnerstag bin ich mit dem Rad nochmal zum Monte Gozo rausgefahren, während meine liebe Begleiterin auf Shopping-Tour ging.

Wir hatten zwar das Denkmal für Papst Johannes Paul II. besucht, aber das richtige Pilgerdenkmal mit dem tollen Blick auf die Stadt irgendwie verpaßt. Das wollte ich nachholen.

Ich habs auch gleich gefunden, das liegt ca 1 km weg und nicht direkt am Jakobsweg. Ob da viele Fußpilger hinlaufen?

Bei der Gelegenheit habe ich mir noch einen Stempel in der Riesenauberge (800 Pritschen in den Schlafsälen) gemacht.

Den Freitag latschten wir wie normale Touristen durch Kirchen und Museen, spazierten durch die Parks und Einkaufsstraßen und erfreuten uns an der Stimmung in den Cafes unter den Arkaden. Echt interessant, hier zu sitzen und den vielen einlaufenden Pilgern zuzusehen. Ich finde noch ein superschickes T-shirt mit einem Pelegrino-bicicleta. Leider verschlampen wir es abends in irgendeiner Kneipe.

Interessant zu erwähnen ist vielleicht noch folgende Sage:

Im Porticus (Hauptportal) der Kathedrale sind u.a. auch die vier Evangelisten in Stein verewigt. Johannes zeigt dabei ein starkes Lächeln. Er ist die älteste romanische Abbildung, die offen lächelt, während alle anderen Figuren ansonsten ernste Gesichter zeigen.

Grund dafür soll sein, dass Johannes direkt auf die gegenüberliegende Figur der Königin von Saba blickt, und deren Busen soll das Lächeln begründen. Als die Kirchenoberen dieses erkannten, wurde ein Steinmetz beauftragt, den Busen entsprechend kleiner zu gestalten. Das ist somit der erste Nachweis einer gezielten Schönheitsoperation an einer weiblchen Brust.

Johannes

Samstag, 17. Juni 2006,

Heimflug
36 Radkilometer, 434 hm


Nach dem Frühstück geht’s gleich los.

Das Wetter ist grau, aber trocken.

Zunächst geht’s zum Monte Gozo, auch Hanne will das Pilgerdenkmal aus der Nähe sehen.


Oben sind wir in dichtem Nebel, sodaß sogar die Brillen anlaufen. Daher leider keine schöne Sicht auf die Stadt.

Nur noch wenige Kilometer, und wir sind im Flughafen.
Am Fahrradstand ist reger Betrieb. 2 Satz Werkzeug hängen an langen Kabeln.

Die Iberiafahrer müssen ihre Räder in Kartons verpacken. Bei Ryanair nur Pedale nach innen, Lenker quer, Sattel runter und Vorderrad ausbauen. Das geht flott und mit den Isomatten, einer Rolle Klebeband und Kabelbindern habe ich schnell 2 Pakete geschnürt.

Einchecken usw. Geht schnell vonstatten und bald sind wir in der vollbesetzten Maschine.

Gut zwei Stunden später schon baue ich auf dem Hahn die Räder zusammen und wir radeln nach Hause.

Hier werden wir von unseren Kindern mit einem Grillfest empfangen und erzählen und erzählen......

credential

Statistik:
geplante Rundstrecke: 220 km
geradelte Strecke einfacher Weg: 103 km
gekletterte Höhenmeter: 1.430

 

Gesamtstatistik:

3.301 Kilometer insgesamt gefahren
21.279 Höhenmeter geklettert
47 Radtage
13 Besichtigungs- , Einkehr- und Ruhetage


Danke allen unseren Freunden für die rege Anteilnahme an unserer Wallfahrt und das zahlreiche Lesen in unserem Reisetagebuch.

Gerne stehe ich für weitere Auskünfte zur Verfügung.

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