Jakobsmuschel

 

Über die Argonnen und durch die Champagne
von Metz bis Troyes (Arcis)

Samstag, 22.4.2006

von Metz bis Verdun
78 km, 696 hm


Zum Tagesbeginn hatten wir entgegen aller Empfehlungen Frühstück im Hotel gebucht. Buffett, war alles reichlich da, sogar der Kaffee hat geschmeckt. Die Räder bepackt, bei Hanne dauert das wegen der vielen Schlaufen immer etwas länger. Wir hätten doch das Geld ausgeben und etwas Modernes kaufen sollen.

Gleich noch Sandwiches gekauft und los geht’s. Meine Ausfallbeschreibung stimmt so genau, daß ich manchmal zweifle, noch richtig zu sein. Dafür finden wir einen Aldi und bunkern Getränke. Dann gehts weiter, bald sind wir wieder an der Moselstraße. Der Himmel in Fahrtrichtung wird immer dunkler, während hinter uns die Sonne lacht.

In Ancy-sur-Moselle gehts nach Gorze, den Berg hoch aus dem Moseltal heraus. Hier erwischen uns die ersten Regentropfen, aber unser Regenzeug wird noch nicht ausgepackt. Ich versuche den Mosel-Fluß-km festzustellen, habe aber kein Glück.

Auf der Paßhöhe bewundern wir das Croix de St. Clemens. Es wurde aufgestellt weil hier der hl. Klemens in Angesicht der ungläubigen Stadt Metz auf die Knie fiel.

Cruis St Clemens


Wie bergauf, gehts steil hinab ins Tal nach Gorze.

Es ist ein kleines Dorf. Eine mächtige Klosterkirche und Gebäude, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Die Briedeler zahlen ja auch keinen Zehnten mehr dahin.

An der Wand ist noch eine Erinnerungsplakette zum Gedenken an die 187 im Hospital gestorbenen Soldaten aus den napoleonischen Kriegen zu erkennen.

Wieder auf den Berg und wir stehen vor der dramatischen Kulisse einer weiten, leeren Landschaft. Wir befahren historischen Boden, auf dem am 16. August 1870 eine der blutigsten Entscheidungsschlachten im Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausgetragen wurde. Zahlreiche Denkmäler, deutsche wie französische erinnern noch heute an dieses furchtbare Ereignis.

Wir kommen an deutschen Heldenfriedhöfen aus dem 1. Weltkrieg vorbei. Tausende haben hier sinnlos ihr Leben lassen müssen.

Die Straße Verdun - Metz ist mit großen Kilometersteinen bestückt, die an den Befreiungsvormarsch der Amerikaner 1944 erinnert und auch an vielen Häusern sind Erinnerungstafeln.

Kilometerstein


Sie ist meist schnurgerade und den Geländewellen voll angepaßt. Das gibt heute schon kräftig Höhenmeter. Radwege und Radstreifen gibts nicht und zu allem Überfluß kommt auch noch Westwind, das ist der von vorne, auf.

Die Kraft schwindet. Haben wir einen Hungerast? Bei erster Gelegenheit, und es gibt nicht viele, werden Bananen gekauft und gegessen.

Dann sind wir am Ziel. In der Tourist-Info buchen wir gleich das zentralste und schönste Pilger-Haus für zwei Nächte. Morgen wollen wir hier das Gelände und die Festungen sowie die Kriegsgedenkstätten aufsuchen.

Wir machen uns frisch, setzen uns vors Hotel und trinken zwei Bierchen. Dann gehen wir auf Stadtbesichtigung, schöne Fußgängerzone, viele interessante Geschäfte. Hanne bedauert, daß sie einfach keinen Platz hat und nichts kaufen kann (!).

Gegen unseren Hunger kaufen wir uns ein Pizzastück in einer Bäckerei und essen die am Ufer von la Meuse (der Maas).

Die über der Stadt thronende Kathedrale ist recht schmucklos und dunkel. Aber trotz der enormen Beschädigungen der Kriege in Ordnung. Ein Turm ist renoviert, am 2. ist man massiv am arbeiten.

verdun, kreuzgang


Es ist schon von Vorteil, wenn man die Räder im Hotel abgestellt hat, während man etwas besichtigt. So können wir es gemeinsam machen. Tagsüber unterwegs muß ja einer immer draußen bleiben und auf Rad und Gepäck aufpassen.

Pizzerien gibts in Masse. Ein Eindruck, den ich schon den ganzen Tag in den Orten habe. Auch Döner und Konsorten sind reichlich vertreten.

Zum Abendessen suchen wir uns ein elsässisches Restaurant aus. Essen ist gut, Preis günstig, Service noch akzeptabel.

Sonntag, 23.4.2006

Aufenthalt und Besichtigung in Verdun

Heute bleiben die Räder in der Hotelgarage.

Ein opulentes amerikanisches "petit dejunneur" gibt uns die Kraft für den Tag.

In der Touristinformation lassen wir uns beraten. Die Hauptpunkte sind ca 10 km von der Stadt entfernt. Da es auch auf den Berg geht, entscheiden wir uns für ein Taxi.

Leider kann man uns kein Internetcafe nennen, das gibt’s anscheinend hier noch nicht. Komisch. Daher sende ich im Hotel noch die Datei des 1. Reiseabschnitts an Armin per eMail Anhang. Scheint gut zu klappen, ich bin trotzdem etwas verunsichert, da ich hier verschiedene Kanäle WLAN, WiFi etc dauernd angezeigt bekomme und mein PDA will sich dauernd da einloggen. Geht aber ohne Anmeldung und Kennnummer logischerweise nicht.

Das Taxi bringt uns dann schnell für knapp 25 € zum Beinhaus von Douaumont. Diese riesige Halle mit den sterblichen Überresten von 130.000 nicht identifizierten Soldaten der harten Kämpfe von 1916 macht einen sehr betroffen. Was für ein Wahnsinn damals. Auch der angrenzende französische Soldatenfriedhof mit 15.000 Gefallenen beeindruckt. Interessant auch das Feld der gefallenen Muselmanen, die kein Kreuz, sondern einen genau nach Osten ausgerichten Grabstein in orientalischer Form haben.

Beinhaus


Wir sehen uns auch noch einen Film über das Leben und Sterben der Soldaten, ergänzt durch weitere Informationen, an (deutsch über Kopfhörer).

Am Kiosk bekomme ich direkt nach Vorzeigen unserer Pilgerpässe schöne Stempel.

Das Fort Douaumont liegt nur 2 km weg und wir laufen zur Besichtigung. Unglaublich ist die Vorstellung, dass in diesen naßkalten Bunkern bis zu 3500 Mann Unterkunft hatten. Toiletten wurden erst von den Deutschen während deren 8-monatiger Besetzung eingebaut. Gewaltig hingegen ist die Aussicht in die Umgebung. Der Standpunkt war schon gut gewählt.

In einem kleinen Restaurant machen wir Mittagspause und gehen dann den Heimweg zu Fuß an.

Dabei kommen wir durch Fleury, ein Ort von dem rein gar nichts mehr übrig blieb. Gedenksteine zeigen die Lage der ehemaligen Häuser und Straßen.

Daneben ist das Memorial von Verdun, ein großes Museum, das einen hervorragenden Überblick über Waffen, Ausrüstung und das ganze Geschehen von 1916 bietet.

Der Rest der Straße nach Verdun ist von weiteren Gedenksteinen und Monumenten gesäumt.

Zurück in der Stadt dann die obligatorische Erfrischung im Straßencafe und dann ins Zimmer. Hei. Das man beim Spazieren und Besichtigen, besonders aber beim Sitzen an den Sonnentischen der Cafes einen Sonnenbrand bekommen kann, das muß man jedes Jahr neu lernen. Wir haben heute unsere Lektion erhalten. Noch etwas Wichtiges habe ich gelernt: in der starken Sonne zieht man etwas auf den Kopf. Jetzt habe ich doch durch meinen kurzen "tour de france-tauglichen" Haarschnitt hindurch die Kopfhaut verbrannt.

Auch meinen leichten Schuhe (man achtet beim Packen ja immer aufs Gewicht) haben mir eine Blase an der Ferse beschert.

Duschen, eincremen, fein machen (viel ist da ja nicht drin) und dann auf zum Abendessen, heute mal in einer französischen Pizzeria. Gut und preiswert.

Und jetzt tippe ich meinen Tagesbericht, während Hanne endlich an ihr Buch kommt.

Montag, 24.4.2006

von Verdun bis Charlons sur Marne (en Champagne)
90 km, 578 hm


Beim Packen die aufregende Neuigkeit, die Ersatzbrille war doch eingepackt. Die noch schnell nachgeholte war die Ersatz-Ersatzbrille. Hahaha.

Wer sagt eigentlich dem französischen Frühstück so Schlechtes nach. War doch wieder optimal, reichhaltig und schmackhaft. Auch der Kaffee ist gut und die viele Milch dazu kommt mir gerade recht.

Wir kaufen gleich zwei supergroße belegte Baguette und versuchen dann, die Stadt zu verlassen. Unterwegs im Supermarkt kommen noch die Getränke dazu und dann gehts los. Auf der Ausfallstraße N 3 ist nur mäßiger Verkehr, aber es ist trotzdem die einzige Möglichkeit. Später verzichten wir sogar aufs Abbiegen auf kleine Landstraßen und rollen zügig dem Ziel entgegen.

Kurz vor unserem geplanten Etappenort Ste. Menehould machen wir auf einem Waldparkplatz in den Argonnen-Wäldern Mittagspause. Hier hält auch gerade ein Paar aus Koblenz mit Ihrem Auto. Das Gespräch bringt nicht viel.

Ich besehe mir mein Rad und das manchmal schleifende Schutzblech und erkenne das Übel, der Vorderradstabilisator ist der enormen Last der Vorderradtaschen nicht gewachsen, lockert dadurch die Schrauben und drückt alles runter. Ich schraube ihn ab, hebe die Schutzblechhalterung an, schraube fest und ich hoffe jetzt gehts.

Die Gelegenheit ist günstig und ich drehe die Lenkerhörnchen von Berg- auf Flachlandfahrt.

Beim Anhalten habe ich jetzt mehr aufzupassen, sonst schlägt der Lenker um und verbiegt die Bremse.

Die Straße hat einen sehr rauen Belag, was sich in der Geschwindigkeit und dem Krafterfordernis sehr bemerkbar macht. Es geht jetzt immer rauf und runter, wie in einer schönen Eifellandschaft.

Wir durchbrausen unsere zunächst geplante Etappenstation Sainte Menehould und weiter gehts durch die Champagne in flotter Fahrt dem nächsten Ziel entgegen. Links und rechts riesige Ackerflächen. Groß sind auch die Ackerschlepper, die wir mehrfach sehen. Der Boden ist sehr karg und wasserdurchlässig.

Im Ort ein großes Denkmal für Dom Perignon, den Erfinder des Champagners. Naja, bei den Preisen des Kribbelwässerchens könnten die Häuser besser gepflegt sein.

Die Ansichten der durchradelten Dörfer sind sehr unterschiedlich. Mal herrliche gepflegte Vorgärten, mal eines, in dem man die Farbe sponsern könnte. Es gibt sogar zwischendrin Gebäude, die noch die Schäden des 1. Weltkrieges tragen.

In dieser Gegend, den katalaunischen Feldern, so wird vermutet, fand 451 n.Chr. jene berühmte Schlacht statt, mit der Attila und die mongolische Gefahr für das Abendland abgewendet wurde.

Wenn man aber bedenkt, daß in diesen Landstrichen immer die großen Schlachten der fünf deutsch-französischen Kriege in letzten 200 Jahren stattfanden, muß man sich wundern, daß überhaupt noch etwas steht und hier noch Menschen leben.

Trinkpause. Ich steige gar nicht ab und schon passierts. Das Rad schlägt ein, mein Bein dazwischen und ich habe einige Schürfwunden. Jetzt muß doch der 1.Hilfe-Kasten aus den Tiefen der Taschen gezerrt werden, um den enormen Blutfluß an meiner Wunde zu stillen.

In L'Epin besichtigen wir die gotische Wallfahrts-"basilika" NotreDame (1400-1527), eine gewaltige Anlage in einem kleinen Dorf. Im Shop gibts auch gerne den Pilgerstempel.

Schon früh erreichen wir Charlons sur Marne, bzw Charlons en Champagne, wie es heute heißt. Die Tourist-Info bucht uns flugs ein Zimmer im Zentrum.

Die Kathedrale ist, wie die meisten der Region, in einer Art Übergangsstil zwischen Romanik und Gotik an der Stelle ihrer zerfallenen Vorgängerin erbaut. Die Aufsicht ist sehe rege und will mir auf französisch alles erklären.

Kathedrale Charlon sur Champagne


Beim Erfrischungsbierchen jammert Hanne wieder über ihre verstärkten Rückenschmerzen. Der Hotelportier spricht gut deutsch und vermittelt ihr sofort einen Termin bei einem nur französich sprechenden Ostheoposen. Wir sofort hin und Hanne wird behandelt. Das hat vielleicht gekracht, als der die Wirbelblockade löste und anschließend die total verkrampften Muskeln durchknetete. Hoffen wir, es wirkt und reicht aus. Sie soll sich auf dem Velo locker halten, ist seine Empfehlung und gute Reise nach Saint Jaques Compostel.

Da werde ich ihre Taschen wohl die nächsten Tage schleppen dürfen.

Als Entschädigung gönnen wir uns ein leckeres Essen, bevors in die Falle geht.

Dienstag, 25.4.2006

Von Charlons nach Arcis an der Aube
73 km, 289 hm


Gut gestärkt und verproviantiert geht’s mit Verspätung los.

Die Kathedrale war gestern schon geschlossen, auch heute morgen war noch zu. Besichtigung für Gruppen nach Voranmeldung bei der Tourist-Info. So gabs mit dem Stempel nichts, denn auch die anderen 3 Kirchen der Innenstadt waren verschlossen.

Schnell haben wir die Stadt hinter uns und rollen auf ruhigen Nebenstraßen nach Süden. Ackerbau scheint hier der Haupterwerb zu sein. Weinberge der Champagne sehen wir keine.

Die kleinen Orte sind wie Perlen an der Strecke aufgereiht. Schmucke Häuschen wechseln sich mit großen Bauernhöfen und verfallenden Gebäuden ab. Im großen und ganzen aber ordentlich und sauber.

Bemerkenswert ist, daß auch kleine Orte mit wenig Häusern teilweise imposante Kirchenbauten, besonders aus dem 14. bis 16. Jahrhundert vorweisen. Da ist noch ein gewaltiger Renovierungsstau erkennbar.

Grandville


Wir kommen wieder gut voran und sind kurz nach Mittag beim Planziel. Das ist zu früh und so rollen wir weiter bis Arcis an der Aube, einem kleinen, etwa 15 m breiten Gewässer mit beachtenswertem Gefälle.

Das angelaufene Hotel hat noch zu, beim nächsten sieht man uns kommen und schließt schnell die Tür auf. Die Velos parken heute Nacht im Billardraum.

Die alte Kirche (Gotik-Renaissance) mit einem Portal von 1518 wurde im 2. Weltkrieg durch englische ! Luftangriffe fast völlig zerstört. Heute ist sie zu, wie die meisten in der Gegend. Im Hotel de Ville gleich nebenan hole ich mir meinen Pilgerstempel. Bei der Renovierung dieses schönen alten Schlößchens hat man die Kugelspuren der napoleonischen Schlacht von 1814 absichtlich erhalten.

Ein paar Gläschen Amstel und ich berichte Euch, während wir auf die Zeit zum Abendessen warten.

Auf dem Parkplatz vor dem Hotel kommen laufend Kirmeswagen an, hier scheints am Wochenende was zu geben, dann ist unser Zimmer sicher nicht mehr so ruhig.

Die Strecke ab Troyes muß ich umplanen, sonst wirds zu lang und zu hügelig ohne Quartiermöglichkeit. Der Original Jakobsweg zieht hier südlich nach Vezelay, wir dagegen rollen südwestlich zur Loire.

Übrigens, hier in Arcis wurde Danton geboren.

Dieser Berichtsabschnitt endet schon in Arcis (ca 30 km vor Troyes)

Statistik:
geplante Strecke: 270 km
gefahrene Strecke: 241 km
gekletterte Höhenmeter. 1.563

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