Jakobsmuschel

 

Kastilien
von Burgos bis Leon

Sonntag, 28.5.2006

Von Burgos nach Carrion des Los Condes
93 km, 505 hm


Ein herrlicher Sonnenmorgen. Wir frühstücken in einer Cafebar am Fuße der Kathedrale im Kreise vieler Mitpilger und decken uns auch da mit Proviant ein, weil sonntags so früh sonst noch nichts zu bekommen ist.

Auf dem Original-Camino rollen wir stadtauswärts. Es ist kein LKW-Verkehr und so bleiben wir direkt auf der Nationalstraße und wir umfahren die ersten unbefestigten vorgeschlagenen Wegstücke.

Durch die neue Autobahn ist die N120 fast wie ein breiter Radweg, daher bleiben wir darauf und düsen mit angenehmen Rückenwind westwärts.

Wir verpassen zwar einige bekannte Pilgerorte, dafür gehts schneller und kürzer. Meine Karte deckt das befahrene Gebiet nicht mehr ab und ich orientiere mich in einer Tankstelle.

Die Straße geht oft kilometerweit schnurgerade durch die Höhenlandschaft der Meseta. Die Steigungen sind mäßig und lassen sich gut rollen. Das ergibt heute wieder eine Riesenetappe, eine gute Reserve für eine ausgiebige Stadtbesichtigung in Leon.



Ich habe den Eindruck, wir pedalieren an der Bewirtschaftungsgrenze. Neben der Straße ist noch alles mit Getreide bebaut, aber sobald sich das Gelände zu den vielen Tafelbergen anhebt, endet die Bebauung und es ist nur noch Strauch- und Grasbewuchs auf den steinigen Hängen.

Das Getreide scheint schon gelb zu werden. Weinberge habe ich nur noch einen kümmerlichen gesehen. Paßte zum Wein am Abend.



Storchennester sieht man hier im Gegensatz zu den letzten Tagen, nur noch vereinzelt.

Die Kirchen der Dörfer sind uralt und viele scheinen bald einzufallen. Überhaupt, nach dem Prunk in Burgos alles recht sparsam. Die Gebäude stammen fast alle aus der Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts. Grobe Bauweise, selten verputzt. Schmuck ist oft nur ein toller Hochaltar.

Heute ist hier Erstkommunion. In die Kirchen wollen wir dabei nicht hinein und stören. Aber viele Leute sind fein angezogen, das ist uns gestern in Burgos schon aufgefallen, da haben wir es auf einige Hochzeiten zurückgeführt.

Wir erreichen Carrion, und damit wieder den Fußwanderweg. Im Refugio lasse ich mir die Pässe stempeln und dann nehmen wir Quartier in einer alten Benedektinerabtei am Ortsrand. Die wurde wieder hergerichtet, bzw. man ist die noch am renovieren, und wir schnarchen in einer ehemaligen Klosterzelle.

Im Kreuzgang läßt es sich herrlich lustwandeln und der Speisesaal ist im Refektorium.

In der Empfangshalle wird man von gregorianischen Möchsgesängen schon direkt zur Meditation angehalten.

Am Haupteingang an der Souvenierkasse - wir hatten den Nebeneingang erwischt - gibs nochmals einen schönen Stempel.

Bis zum Abendessen, die meisten Speiserestaurants machen hier in Spanien erst um 21.00 Uhr auf, nutzen wir die Zeit zu einem Stadtbummel.

In der Pfarrkirche St. Maria el Camino beginnt gerade der Rosenkranz mit anschließender Messe. Es ist eine schlichte, 3-schiffige romanische Kirche mit einem herrlichen Hochaltar, ohne weiteren aufdringlichen Schmuck. Gerne bleiben wir. Nach der recht gut besuchten Messe bittet der Pastor alle Santiagopilger in die Sakristei.

In einer ergreifenden kleinen Feier, die Gebete wurden in 6 Sprachen verteilt und von den jeweiligen Gruppen vorgebetet, wurden mit Feuer und Weihwasser die Wünsche und Bitten der ca 25 Teilnehmer zum Himmel gesandt. Nach einem gemeinsamen, vielsprachigen Lied wurde der Pilgersegen erteilt.

Zum Abendessen nahmen wir ein Pilgermal. Ich hatte zwei Wachteln (ich meinte, ein Hähnchen bestellt zu haben).

Montag, 29.5.2006

Von Carrion des Los Condes nach Mansilla de las Mulas
85 km, 406 hm


Schnurgerade sausen wir mit angenehmem Rückenwind in strahlendem Sonnenschein auf der fast autofreien Straße über den Monte Carrion (900 m) 45 km bis Sahagun. In einem modernen und schönen Refugio lasse ich mir schon mal stempeln. Ein leckeres Menue de Peregrino wird mit Cerveza heruntergespült und es geht weiter.

Der Original Camino ist hier von der EU neu neben der Straße angelegt und als Schattenspender mit Bäumen bepflanzt. Ein Kiesweg, der auch für Radfahrer sein soll. Wir bleiben jedoch auf der geteerten autolosen Straße.


Die Landschaft ist unendlich und flach, überwiegend Weizen- und Haferanbau. Es gibt nur wenige niedrige Bäume, dadurch ist das Landschaftsbild recht eintönig.

Hier bekommt besonders der Fußpilger, der hier tagelang geradeaus stapft, ohne das das Bild sich verändert, seine tiefen Gedanken.

Heute brennt die Sonne und wir haben Ost-Rückenwind. Bei Regen und kaltem Westwind oder dem gefürchteten Nordwind strapaziert dieser Abschnitt sicherlich Körper und Geist.

Was die hier schon "rio" nennen und auf Brückenschildernmit Namen benennen, bezeichnet bei uns noch keiner als Bach, höchstens als Bächlein.

An den Wasserläufen sind viele Pappeln gepflanzt. Die sind derzeit in der Blüte und die Luft weiß von den umherfliegenden weißen Wattebäuschchen. Die Kellner gestern abend haben die auf der Terasse die vom Wind in den Ecken gesammelten Büschel aus Lageweile mit dem Feuerzeug abgebrannt.

Heute überholen wir jede Menge Rucksackträger. Aber auch viele Radfahrer sind mit uns auf der Strecke. Eine organisierte Gruppe Rennradler von ca. 50 Mann mit Begleitbus saust an uns bei einer Rast vorüber.

In Reliegos halten wir am Refugio zum Stempeln kurz an, bevor das letzte Tagesstück unter die Räder genommen wird.

Complet, sagt die Hostalerin und es sind noch mehr Radler auf Zimmersuche am rundfahren. Wir können aber in einer anderen Pension ein Zimmer beziehen. Bad/WC über den Flur.

Mal sehen, was hier heute abend los ist?

Nach der obligatorischen Besichtigungsrunde, in der ich mir in der Auberge den Übernachtungsstempel abhole, gehts zum Pilgeressen.

Gut und preiswert. 3-Gang-Menue incl. Wein für 7,50 € p.P.

Unterwegs treffen wir einen aus Polch, der ist seit 1984 fast jedes Jahr auf dem Camino pilgert. Er jammert über seine Pilgerkameraden. Die würden immer die Kneipen anlaufen, während er die Kirchen sucht.

"Wenn die einen Pastor ohne Bier sehen, meinen die, der Luzifer steht da vorne" In Irache hatten sie sich die Hucke vollgesoffen, daß ihnen ein ganzer Tag verloren ging.

So, jetzt warte ich daß der Klo frei wird, damit ich in Ruhe sitzen kann.

Zum Abschluß noch eine Flasche Roten "Mesa" (Hauswein) in unserem Lokal, 2,50 € die Flasche.

Dienstag, 30.5.2006

Von Mansilla de las Mulas nach Leon
21 km, 163 hm


Auf dem Camino, teils auf der begleitenden geteerten Straße, teils auf dem Kiesweg radeln wir frühmorgens nach Leon.

Kaum am rollen, halte ich an und muß mein Rad von einer ganzen Kolonie Ameisen befreien, die es anscheinend über Nacht als Quartier ausgesucht hatten. Ein Glück, dass ich die vordren Packtaschen mit abgehangen hatte, das hätte eine schöne Schweinerei geben können.

Hier brauchen wir unsere Klingeln, um die Fußpilger auf uns aufmerksam zu machen.

Unterwegs Stop in einer kleinen Bar, zum Kaffee gibts hier auch den Pilgerstempel.

Ich begreife nicht, warum in einigen Pilgerführern von der Schwierigkeit, genug Stempel für die Compostela zu bekommen, geschrieben steht. Jedes Refugio hat seinen eigenen, teils schön entworfenen Stempel und jeder, auch die nicht dort Schlafenden, bekommt den Stempelabdruck in seinen Pilgerpaß.

Früh sind wir schon in Leon an der Kathedrale. Ich hole mir in der Tourist-Info einen Stadtplan und ein Hotelverzeichnis und vor 12 haben wir schon eingecheckt. So haben wir genug Zeit für Leon und brauchen keinen Zusatztag zu verplembern.

Auf zurf Besichtigungstour, zunächst in die Kathedrale. Die 1800 qm bunter Glasfenster ist in der Farbenpracht, besonders heute bei dem herrlichen Sonnenschein, gewaltig. Trotzdem macht der Innenraum einen wesentlich dunkleren Eindruck als in der Kathedrale von Burgos.


Die Heiligen halten jetzt Siesta und die Kirchen und Monumente sind geschlossen. Gleich gehts aber wieder los, Kultur anschauen.

Bei den nächsten Reisen muß ich unbedingt daran denken, meinen Schrittzähler mitzuholen. Die ganzen Stadtbesichtigungen und Abendspaziergänge summieren sich sicher auch nochmal auf über 150 km.

Nachher will ich unseren Rückflug buchen. Den Tag verrate ich hier aber noch nicht.

Ab Morgen gehts dann in die Berge.

Statistik:
geplante Strecke: 200 km
geradelte Streccke: 199 km
geschaffte Höhenmeter: 1.074 hm

nächster Abschnitt

zurück zur Hauptseite